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15 Okt 2014 von Ludwig Boltzmann

Feind und Freund. Wie die Kulturgeschichte die Wahrnehmung der Berge beeinflusst.

Das moderne Bergbild, die Bergbegeisterung, wie man sie heute kennt, ist kulturgeschichtlich schon früher entstanden, als bisher angenommen.

Wien/Innsbruck (OTS) – Hannibals Überquerung der Alpen zeigt den Berg als mächtigen, uneinnehmbaren Gegner, den es heldengleich unter großen Entbehrungen zu bezwingen gilt. Diese Schilderung steht beispielhaft für das negative Bergbild, dass erst viel später durch ein modernes und positives Bild ersetzt wurde. Aktuelle literaturwissenschaftliche Untersuchungen durch das Ludwig Boltzmann Institut für Neulateinische Forschung zeigen nun, dass diese moderne Bergauffassung, nicht wie bisher angenommen erst im 18. Jahrhundert entstanden ist, sondern bereits 200 Jahre früher.

Seit 2011 beschäftigte sich William Barton, Junior Researcher am Innsbrucker Ludwig Boltzmann Institut für Neulateinische Studien (LBI Neulatein), mit der Frage, welche Änderungen sich in unserem Wissen um das moderne neuzeitliche Bergbild ergeben, wenn man auch neulateinische Texte, d.h. Texte, die ab dem 14. Jh. in lateinischer Sprache geschrieben wurden, berücksichtigt. Die Ergebnisse, die er in seiner eben in London (King’s College) eingereichten Dissertationsschrift vorlegen kann, sind verblüffend.

„Wir finden im 16. Jahrhundert vor allem im schweizerischen und süddeutschen Raum eine Fülle von lateinischen Texten, die sich mit dem Thema ‚Berge‘ beschäftigen: In Gedichten, wissenschaftlichen Traktaten, Briefen, Geschichtswerken usw. verraten die jeweiligen Autoren eine Vorstellung, die unserer modernen Auffassung schon recht nahe kommt“, so Barton, der in den letzten Monaten zwischen London und Innsbruck pendelte, um seine Arbeit abzuschließen. Verstärkt wurde die Entwicklung des modernen Bergbildes in Europa durch die Epoche der Aufklärung, in der besonders naturwissenschaftliche Fortschritte – z.B. botanische und geologische Studien – die Bergwelt attraktiv machten. Der Schweizer Autor Benedikt Marti (Aretius) schreibt z.B. 1561 in seiner Beschreibung des Stockhorn: „Ich fühle mich durch eine Art natürliche Liebe zu den Bergen hingezogen, sodass ich mich nirgendwo lieber aufhalte als im Gebirge!“

Bartons Forschungen sind eingebettet in die Forschungsschiene „Neulatein und Mentalitätsgeschichte“ des LBI Neulatein, dessen Aufgabe es u.a. ist, neulateinische Texte für mentalitätsgeschichtliche Fragestellungen nutzbar zu machen und auszuwerten. Dass gerade in Tirol das Thema ‚Einstellung des Menschen zu den Bergen‘ von besonderer Relevanz ist, versteht sich von selbst.

Über das LBI für Neulateinische Studien:
Als Institut der Ludwig Boltzmann Gesellschaft hat das LBI Neulatein seinen Hauptsitz in Innsbruck und unterhält Außenstellen in Wien, Freiburg i.Br., Rom, Oxford und Padua. Die Forscher im Bereich „Neulatein und Mentalitätsgeschichte“ sind bei zahlreichen internationalen Kongressen zum Thema ‚Bergwahrnehmung‘ vertreten.

Über die Ludwig Boltzmann Gesellschaft:
Die Ludwig Boltzmann Gesellschaft ist eine außeruniversitäre Forschungsorganisation mit Sitz in Wien und betreibt 20 Forschungseinrichtungen (Ludwig Boltzmann Institute) mit rund 550 MitarbeiterInnen in den Bereichen der Humanmedizin / Life Sciences sowie der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften. Die LBG steht mit ihrem Motto „Nahe am Menschen“ für die Behandlung gesellschaftsrelevanter Forschungsfragen.

http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20141014_OTS0064